Fristlose Kündigung durch die Krankenversicherung

Die Zeiten sind härter – Fristlose Kündigung durch die Krankenversicherung

 

Einer Krankenversicherung ist ein zeitlich unbegrenztes ordentliches Kündigungsrecht fremd. Die Möglichkeit einer Vertragsauflösung steht nämlich in Widerspruch zu der sozialen Funktion der privaten Krankenversicherung, die für weite Bevölkerungskreise zum Ersatz für fehlenden Sozialversicherungsschutz geworden ist. Dementsprechend kann eine Krankheitskostenvollversicherung, bei der Behandlungskosten erstattet werden, vom Versicherer nicht ordentlich (also grundlos) gekündigt werden. Eine Krankentagegeldversicherung, bei der der Versicherte für jeden Tag seiner Arbeitsunfähigkeit Krankentagegeld erhält, kann ggf. in den ersten Jahren gekündigt werden, zum Beispiel bei Selbständigen. Danach ist auch hier eine ordentliche Kündigung durch die Versicherung nicht mehr möglich.

 

Davon sind die Fälle zu unterscheiden, in denen der Krankenversiche-rer einen berechtigten Grund zur Vertragsauflösung hat.

 

Gibt der Versicherungsnehmer bei der Antragstellung zum Beispiel Vorerkrankungen nicht an, kann der Versicherer ggf. vom Vertrag zurücktreten. In schwerwiegenden Fällen ist auch eine Anfechtung des Vertrages möglich, mit der Folge, dass alle in der Vergangenheit er-brachten Leistungen zurückgefordert werden können.

 

Krankenversicherer können die Versicherung aber auch wegen eines Fehlverhaltens des Versicherungsnehmers nach Vertragsschluss fristlos kündigen. Seit mehr als zehn Jahren greifen Krankenversicherer vermehrt zu derartigen Rechtsmaßnahmen. Vor allem Krankentagegeld-versicherungen werden fristlos gekündigt.

 

Die Folgen einer außerordentlichen Kündigung sind schwerwiegend. Wird die Krankentagegeldversicherung gekündigt, geht sie verloren. Verliert der Versicherungsnehmer seine Krankheitskostenversicherung, steht er plötzlich ganz ohne jeden Versicherungsschutz da. Er kann bei einer anderen privaten Krankenversicherung einen Basisschutz beantragen. Seine Krankenversicherung muss ihn nicht weiter-versichern. Der sogenannte Basistarif ist vom Leistungsumfang her mit einer gesetzlichen Krankenversicherung vergleichbar.

 

In Zeiten, in denen gerade auch viele Selbständige um ihre wirtschaftliche Existenz kämpfen müssen, gibt es einige, die versuchen, Leistungen zu erschleichen. Die privaten Krankenversicherungen, die wie die gesetzliche Krankenversicherung mit der Kostenexplosion im Gesundheitswesen zu kämpfen haben, wollen mit umfangreichen Schadenmanagementmaßnahmen Kosten eindämmen, um die Beiträge soweit wie möglich stabil zu halten. Dazu gehört auch, dass Manipulationen und Betrügereien durch die Versicherten aufgedeckt werden. Einige Versicherungen unterhalten zu diesem Zweck eigene „Betrugsabteilungen“.

 

Beliebt scheint die Manipulation von Rezepten zu sein. Dabei handelt es sich um kein Kavaliersdelikt. Ich kann nur davor warnen, wegen relativ überschaubarer Geldsummen den Bestand der Versicherung zu gefährden und eine Anzeige wegen Betruges zu riskieren.

 

In einem vom OLG Koblenz entschiedenen Fall (NJOZ 2009, 2418) hatte der Versicherungsnehmer Kostenvorschüsse für zwei Brillen nicht zum Erwerb der Brillen, sondern zur Begleichung von Verbindlichkeiten verbraucht, und im folgenden Jahr mit der unrichtigen Behauptung, eine dieser Brillen sei zerstört worden, die Erstattung der Aufwendungen für eine weitere Brille verlangt. Nach der Vertrags-kündigung hatte er deren Rücknahme dadurch zu erreichen versucht, dass er eine falsche Brille zusammen mit einer fingierten Rechnung übergab. Der Versicherungsnehmer wurde jedoch auch bei seinem zweiten Täuschungsversuch erwischt und hatte vor dem OLG Koblenz keine Chance mehr.

 

Etwas glimpflicher scheint ein Fall vor dem Kammergericht in Berlin ausgegangen zu sein (Beschluss vom 05.12,17, 6 U 101/17). Der Versicherte hatte in knapp 2 Jahren u. a. 52-MRT und 24 Röntgen-untersuchungen veranlasst. Er legte die Arztrechnungen vor, bezahlte die Rechnungsbeträge selbst aber nicht, sondern finanzierte damit seine Alkohol-, Cannabis- und Kokainsucht. Nun ist es prinzipiell sein Problem, ob er seine Rechnungen bezahlt oder nicht. Er macht sich höchstens gegenüber den Ärzten wegen Eingehungsbetrugs strafbar, wenn ihm nachgewiesen werden kann, dass er ohnehin nie vorhatte, die Rechnungen zu bezahlen. Dafür spricht, dass er wohl keine einzige dieser Arztrechnungen bezahlt hatte. Sein Verhalten gegenüber den Ärzten tangiert aber nicht sein Vertragsverhältnis zu seiner Kranken-versicherung.

 

Die Krankenversicherung warf ihm vor, er habe seine Erkrankungen bzw. Verletzungen vorgetäuscht und bewusst vollkommen überflüs-sige Behandlungsschritte ausgelöst, nur um die erstatteten Rechnungsbeträge für sich zu verbrauchen. Der versicherte Junkie hatte nämlich seine Untersuchungsergebnisse nie abgefragt und auch keine Behandlungen durchführen lassen. Gleichwohl schlug das Kam-mergericht einen Vergleich vor, er sollte in den schlechteren Basistarif als Mindestschutz wechseln. Der Vorteil bei diesem Procedere besteht für ihn darin, dass er sich keine andere Krankenversicherung (mit ggf. höheren Beiträgen) suchen musste und kein Zeitraum ohne Versicherungsschutz entstehen konnte. Das Kammergericht berücksich-tigte mit seinem Einigungsvorschlag, dass die Verletzungen des Versicherten dokumentiert waren. Vielleicht spielte auch dessen Alkohol- und Drogensucht eine Rolle.

 

Aus meiner Tätigkeit in der Krankenversicherung ist mir der Fall eines Hartz-IV Beziehers bekannt, der sich regelmäßig in Krankenhäuser begab, anscheinend um seine Einkünfte durch den Bezug täglichen Krankenhaustagegelds aufzubessern. Es war aber schwierig, eine Betrugsabsicht nachzuweisen. Selbst wenn das Krankenhaus nichts finden konnte, er konnte ja tatsächlich subjektive Beschwerden gehabt haben, außerdem gibt es Hypochonder. Bei der Agentur für Arbeit stellte sich jedoch heraus, dass er die Krankenhaustagegeldzahlungen nicht angegeben hatte. Sicher hatte er sich dadurch beim Amt eine Menge Probleme aufgeladen, andererseits konnten wir ihn deshalb nicht kündigen. Allerdings hatte sich sein Geschäftsmodell nun erledigt.

 

Das Hauptaugenmerk haben die Krankenversicherer auf die Krankentagegeldversicherung gerichtet. Arbeitsunfähigkeitszeiten von vielen Monaten oder Jahren sind keine Seltenheit, mit der Folge hoher Krankentagegeldzahlungen. Zudem besteht die Gefahr betrügerischen Verhaltens in der Krankentagegeldversicherung in ungleich höherem Maße als in der Krankheitskostenversicherung.

 

Die Versicherungen sind in der Wahl ihrer Mittel nicht gerade zimperlich. Manchmal werden – auch ohne jeden Anhaltspunkt - Detektive als Lockvögel beauftragt, die ein lukratives Angebot unterbreiten, um zu testen, ob der Versicherte nicht trotz seiner Arbeitsunfähigkeit arbeitet. Der Versicherer kann sogar von dem Versicherungsnehmer seine Aufwendungen für die Einschaltung  eines Detektivbüros ersetzt verlangen, wenn der Versicherungsnehmer im Rahmen der Schaden-ermittlung versucht hat, den Versicherer umfangreich zu betrügen.

 

In der Praxis droht die Krankenversicherung oft mit einer Anzeige wegen Betrugs bzw. versuchten Betrugs, wenn der Versicherungs-nehmer nicht die außerordentliche Kündigung hinnimmt. Das kann sehr unangenehm werden, wie unangenehm richtet sich u. a. nach der Schadenshöhe. In schweren Fällen drohen bis zu fünf Jahre Freiheits-strafe. Daher sollte der Versicherungsnehmer mit Hilfe seines Rechtsanwalts eine Abwägung vornehmen, in unklaren Fällen ist ggf. ein erfahrener Strafverteidiger hinzuzuziehen.

 

Der Bundesgerichtshof hatte folgenden Fall zu entscheiden (NJW-RR 2007, 1624-1627):

 

Ein Architekt war längere Zeit arbeitsunfähig geworden. Die Krankenversicherung, die daran zweifelte, dass der Versicherungs-nehmer nach medizinischem Befund nicht imstande war, seinen Beruf auszuüben, beauftragte ein Detektivbüro mit der Überprüfung. Ein Detektiv nahm Kontakt mit dem Architekten auf und gab sich als Bauinteressent aus. Daraufhin kam es zu drei Treffen, die im Wohnhaus des Architekten stattfanden, in dem sich zugleich dessen Architektur-büro befindet. Sie unterhielten sich über den - angeblich - geplanten Hausbau, wobei es zunächst um das allgemeine Vorgehen ging. Bei den weiteren zwei Treffen nahm der Versicherungsnehmer auch Erörterungen anhand eines von dem Detektiv mitgebrachten Grundstückplanes und anhand von Lichtbildern vor, die ein angebliches „Wunschhaus“ zeigen. Der Architekt bezifferte die voraussichtlich anfallenden Baukosten nebst Nebenkosten überschlägig und listete sie auf.

 

Natürlich wurde nichts aus dem schönen Auftrag. Stattdessen kündigte die Versicherung die Krankentagegeldversicherung fristlos.

 

Der BGH hatte zuerst zu prüfen, ob der Architekt trotz seiner akquisitorischen Tätigkeit noch arbeitsunfähig war. Denn wenn Arbeits-unfähigkeit vorläge, hätte der Architekt zu Recht Krankentagegeld beansprucht und auch keine Leistungen zu erschleichen versucht.

 

Arbeitsunfähigkeit liegt nach den vertraglichen Bestimmungen der Allgemeinen Versicherungsbedingungen vor, wenn die versicherte Person ihre berufliche Tätigkeit nach medizinischem Befund vorübergehend in keiner Weise ausüben kann, sie auch nicht ausübt und keiner anderen Erwerbstätigkeit nachgeht. Ein Anspruch des Versicherungsnehmers gegen den Versicherer auf Zahlung aus der Krankentagegeldversicherung besteht nur, wenn der Versicherungs-nehmer im vollen Umfang - also zu 100 % - arbeitsunfähig ist, d. h. seine bisherige berufliche Tätigkeit nach medizinischem Befund vorübergehend und in keiner Weise ausüben kann, weshalb bereits der Wiedereintritt teilweiser Arbeitsfähigkeit die Leistungspflicht des Krankentagegeldversicherers vollständig entfallen lässt. Entscheidend ist, ob dem Versicherten - wenn auch im geringen Umfang - noch eine wertschöpfende Betätigung möglich ist. Unschädlich sind nur eine ganz geringfügige Berufsausübung, reine Hilfstätigkeiten bzw. solche von völlig untergeordneter Bedeutung, die nicht auf die Fortführung der Erwerbstätigkeit gerichtet sind.

 

Deshalb ist ein solcher Versicherter auch dann nicht arbeitsunfähig, wenn er in gewissem, nicht ganz unbedeutendem Umfang noch Aufsicht führende, überprüfende oder sonst seiner Stellung entsprechende Tätigkeiten ausführen kann. Die Ausübung beruflicher Tätigkeiten bleibt nur dann auf den Anspruch ohne Einfluss, wenn sie derart geringfügig oder unbedeutend ist, dass es einen Verstoß gegen Treu und Glauben darstellen würde, wenn sich der Versicherer hierauf beruft. Ein Graubereich ist erreicht, wenn der Versicherungsnehmer lediglich Arbeitsversuche zur Erprobung seiner eigenen körperlichen Leistungsfähigkeit absolviert oder lediglich untergeordnete, nur auf-grund der Erkrankung übernommene (Aufsicht)-Tätigkeiten über-nommen hat.

 

Im vorliegenden Fall war der Versicherungsnehmer an den Tagen, an denen er den Detektiv zu Besuch hatte, nicht arbeitsunfähig, da bei einem selbständigen Architekten, der ein Architekturbüro allein oder nur mit wenigen Mitarbeitern betreibt, zur Erwerbstätigkeit neben den eigentlichen Architektenleistungen regelmäßig auch Tätigkeiten zur Akquisition von Kunden gehören. Der Architekt konnte für diese konkreten drei Tage keine Zahlung von Krankentagegeld bean-spruchen.

 

Die Kündigung aus wichtigem Grund erfordert eine Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und die Abwägung der beiderseitigen Interessen. Für die private Krankenversicherung ist im Hinblick auf ihre soziale Funktion anerkannt, dass ein wichtiger Grund zur Kündigung erst dann gegeben ist, wenn der Versicherungsnehmer in besonders schwerwiegender Weise die Belange des Versicherers seinem Eigennutz hintanstellt. Das ist vor allem der Fall, wenn er sich Versicherungsleistungen erschleicht oder zu erschleichen versucht. Allerdings ist ein Krankentagegeldversicherer nur unter engen Voraussetzungen zur fristlosen Kündigung berechtigt. Die private Krankentagegeldversicherung ersetzt vielfach - und so auch hier - den fehlenden Sozialversicherungsschutz.

 

Der BGH hat im vorliegenden Fall entschieden, dass der Kranken-tagegeldversicherung die Fortsetzung nicht unzumutbar, d.h., eine fristlose Kündigung nicht gerechtfertigt war.

 

Zwar steht der Bewertung als Akquisitionstätigkeit nicht entgegen, dass der erste Kontakt nicht durch den Kläger, sondern durch den Zeugen veranlasst wurde und die geführten Gespräche im Wohnhaus des Klägers, nicht aber direkt in Büroräumen stattgefunden haben. Entsprechendes gilt im Hinblick darauf, dass es im Ergebnis nicht zu einer Beauftragung des Klägers gekommen ist. Der Umstand, dass die festgestellten Tätigkeiten des Klägers nicht zu einer Gewinnerzielung geführt haben, ist ohne Belang.

 

Gegen die Unzumutbarkeit der Fortsetzung der Krankentagegeld-versicherung spricht aber, dass diese bereits seit 15 Jahren besteht und das Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien nicht durch ein Verhalten des Klägers beeinträchtigt worden war.

 

Der Architekt ist lediglich an drei Tagen beruflich tätig geworden. Er war nicht voll berufstätig. Gelegentliche Akquisitionstätigkeiten stehen der Genesung nicht entgegen. Ferner handelt es sich bei Akquisitionsmaßnahmen (genauso wie bei gelegentlichen formellen Tätigkeiten wie das Unterzeichnen vorgefertigter Schriftstücke) um Tätigkeiten, die allein im Vorfeld der eigentlichen vertraglichen Leistungen erfolgen und selbst nicht die Grundlage der beruflichen Einkünfte darstellen. Eine völlige Untätigkeit zum Erhalt des Versicherungsschutzes kann – vor allem einem beruflich Selbstän-digen, der ein Unternehmen allein bzw. nur mit wenigen Mitarbeitern betreibt - kaum zugemutet werden.

 

Der Architekt hatte in dem Zeitraum, in dem seine berufliche Tätigkeit festgestellt wurde, kein Krankentagegeld erhalten, da die Krankenversicherung die Arbeitsunfähigkeit anzweifelte und daher die Zahlungen des Krankentagegelds eingestellt hatte. Mit der Leistungs-einstellung trotz weiterhin bescheinigter Arbeitsunfähigkeit bringt der Versicherer zum Ausdruck, er halte den Versicherungsnehmer dennoch für arbeitsfähig. Er kann deshalb nicht mehr uneingeschränkt darauf vertrauen, dieser werde seine Berufstätigkeit in keiner Weise ausüben. Der Wegfall des Krankentagegeldes begründet - dem Versicherer erkennbar - für den Versicherungsnehmer die Notwendigkeit, auf anderem Wege für seinen Lebensunterhalt zu sorgen. Auch wenn der Versicherungsnehmer seinen Anspruch für berechtigt hält, kann der Versicherer von ihm nicht erwarten, dass er sich bis zum Abschluss eines - im Ausgang zudem ungewissen - Rechtsstreits jeglicher Ausübung seiner Berufstätigkeit enthält. Es kommt hinzu, dass die nachteiligen Auswirkungen einer Vertragsverletzung für einen Versicherer regelmäßig nicht eintreten oder geringer sind, wenn Versicherungsleistungen - ungeachtet aus welchem Grunde - nicht erbracht wurden.

 

Unter Berücksichtigung des Fehlens der erforderlichen Verdachtslage und dem nach den getroffenen Feststellungen anzunehmenden - wenn auch nicht mit verwerflichen Mitteln vorgenommenen - nachhaltigen Einwirken des Detektivs auf den Architekten stellt sich das Vorgehen der Krankenversicherung als auf die Verschaffung eines Kündigungsgrundes gerichtet und damit unredlich dar.

 

Nicht zu entscheiden brauchte der Bundesgerichtshof, ob eine vorherige Abmahnung notwendig gewesen wäre. Die fristlose Kündigung einer Krankentagegeldversicherung aus wichtigem Grund setzt in der Regel die vorherige Abmahnung des Versicherungsnehmers voraus. Eine solche Abmahnung ist aber sinnlos und daher nicht erforderlich, wenn das Verhalten eines Vertragspartners die Vertrauensgrundlage in so schwerwiegender Weise erschüttert, dass sie auch durch eine erfolgreiche Abmahnung nicht wieder hergestellt werden könnte. Das ist bei Verträgen über eine Krankentagegeld-versicherung zu bejahen, wenn - wie hier - der Versicherungsnehmer die Leistungen des Klägers dadurch „erschleicht“, dass er seiner Tätigkeit weiter nachgeht. Würde man dies anders sehen, so hätte jeder Versicherungsnehmer die Möglichkeit, einmal sanktionslos zu versuchen, den Versicherer in erheblicher Weise zu täuschen.

 

Anders sind „Beleidigungsfälle“ zu qualifizieren. Nach Darstellung der Krankenversicherung hatte ein Versicherungsnehmer den Gesell-schaftsarzt beschimpft, eine Mitarbeiterin der Lüge bezichtigt und Strafanzeigen stellen wollen. Er habe angedeutet, früher im Polizeidienst, insbesondere bei der GSG 9 und einer Einsatzhundertschaft gewesen zu sein. Er habe gedroht, vor den Augen der Versicherungsangestellten, Eiter zu spucken. Außerdem habe er angekündigt, dass die Beklagte ein Spektakel erleben werde und nicht mehr die Gerichte dieser Welt entscheiden würden.

 

Immerhin hatte die Versicherung für einen ersten Behandlungsabschnitt Kostenzusage erstellt, nachdem der Versi-cherungsnehmer persönlich zu seinen Sachbearbeitern gefahren war. Der zweite Behandlungsabschnitt wurde aber abgelehnt und schließlich die Krankenversicherung fristlos gekündigt.

 

In einem anderen Fall hatte ein praktischer Arzt und Psychotherapeut seiner Krankenversicherung unter anderem geschrieben: „Ich bedauere, feststellen zu müssen, dass die Mitarbeiter der Inter sogar zur korrekten Verbuchung zu dämlich sind […] Ich halte Inter aber für intelligent genug, Betrug/Unterschlagung nicht noch einmal zu versuchen.“

 

In diesen Fällen wurde eine vorherige Abmahnung für notwendig erachtet, ehe der Vertrag fristlos gekündigt werden kann.

 

Der Krankenversicherer, der berechtigt ist, eine Krankentagegeld-versicherung wegen Täuschung durch den Versicherungsnehmer fristlos zu kündigen, kann nicht ohne Weiteres die Kündigung auch auf neben der Tagegeldversicherung bestehende Krankheitskosten-versicherung erstrecken (LG Dortmund, Urteil vom 19.10.2006, 2 O 559/03). Der soziale Schutzgedanke wiegt bei einer Krankheitskosten-versicherung noch schwerer als bei einer Krankentagegeld-versicherung. Es kommt auf die Umstände des Einzelfalls an. 

 

Vertragspartner der Krankenversicherung ist der beitragszahlende Versicherungsnehmer. Davon sind die ggf. mitversicherten Familien-angehörigen zu unterscheiden. Die Kündigung aus wichtigem Grund erfasst bei einem privaten Krankenversicherungsvertrag automatisch auch weitere Mitversicherte. Sie haben aber einen Fortsetzungsanspruch gegenüber dem Krankenversicherer, wenn ihr Verhalten keinen Anlass zur Kündigung gegeben hat (OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 25.03.2015, 7 U 264/11).

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